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    Inklusions-Kino: Manchmal geht die Schlange bis zum Metzger

    Patrick WurmbachInklusions-KinoFachlich versiert nimmt Karla Grämer die Einstellungen für den Kino-Abend vor

    Im Linden-Theater in Geisenheim gibt es Popcorn, Cola und den neusten Spielfilm in 3D. Und doch ist hier etwas anders als in anderen Kinos. Hier arbeiten junge Menschen mit Handicap. Sie erhalten die Chance auf einen Arbeitsplatz, bei dem sie ihre Fähigkeiten zeigen können.

    Patrick WurmbachInklusions-KinoEin erfolgreiches Team (von links): Mohammed Benlfkih, Karla Grämer und Susanne Seel

    Es ist wieder Kino-Dienstag. Da ist die Karte besonders günstig. Im Eingangsbereich des Linden-Kinos in Geisenheim duftet es nach frisch gemachten Popcorn im Hintergrund läuft Filmmusik. Heute läuft "Shaun das Schaaf",  Mütter sind mit ihren Kindern ins Kino gekommen. Gerade weil das Kino sehr klein und familiär ist, fühlen sich viele Besucher hier sehr wohl. Während die Gäste nach und nach eintreffen, bringt die 28-jährige Karla Grämer im Vorführraum die Kinoprojektoren zum Laufen. Sie hat eine geistige Beeinträchtigung und gehört seit der ersten Stunde zum Team. Mit der Kinotechnik ist sie bestens vertraut, sie weiß welchen Knopf sie drücken muss. "Manchmal streikt die Technik, dann helfen mir die anderen Jungs!" erzählt sie während sie ganz souverän den Kinonachmittag vorbereitet. Susanne Seel erklärt, dass jedes Detail genau geplant werden müsse. Die Assistentin des Geschäftsführers des Linden-Theaters kommt ursprünglich aus dem Einzelhandel. Nach vielen Jahren Berufspraxis wünschte sie sich, in einem Job zu arbeiten, in dem sie Menschen mit einem Handicap unterstützen kann. Über die Jobvermittlung ist sie 2011 zum Linden-Theater nach Geisenheim gekommen. Ein beruflicher Glücksgriff. Das Team wird zudem von einem FSJ'ler unterstützt.

    Anfangs gab es viel Zweifel und Kritik  - heute ein Vorzeigeprojekt

    Am Anfang ahnte kaum einer, dass das deutschlandweit einzigartige Inklusionsprojekt ein voller Erfolg wird. Daran hat zunächst fast nur der Geschäftsführer der Behindertenwerkstatt des St. Vincent Stift und heutige Geschäftsführer des Linden-Theater Werner Thorn geglaubt. Seit Bestehen des Projektes konnten alle Zweifel zerstreut werden. "Viele haben den zeitlichen Aufwand anfangs für nicht machbar gehalten und manchmal darf man nicht ständig auf die Uhr schauen, wenn ein Projekt gelingen soll", betont Geschäftsführer Werner Thorn.  Nach der Übernahme vom bisherigen Pächter und den Renovierungsarbeiten wurde das Kino, mitten in Geisenheim, 2011 neu eröffnet und zählt heute zu den Vorzeige-Projekten für Inklusion im Beruf. Erst vor kurzem hat eine Delegation des Auswärtigen Amtes das Inklusionskino in Geisenheim besucht, erzählt Susanne Seel stolz. An Wochenenden ist sogar recht viel los, gerade dann, wenn ein neuer Kinohit über die Leinwand flimmert.

    Wenige Chancen für Menschen mit Handicap auf dem Arbeitsmarkt

    Wer beim Linden-Theater arbeitet, hat oft schon unerfreuliche Erfahrungen mit dem Arbeitsmarkt gemacht. Der 29-Jähre Mohammed Benlfkih sitzt seit einem Autounfall 2008 im Rollstuhl. Er musste vom Anlagenführer auf einen kaufmännischen Beruf umschulen. Doch das Glück über seinen neuen Job, den er im Anschluss fand, endete schnell, denn sein Vertrag wurde nicht verlängert. Er sieht besonders im Kündigungsschutz für Menschen mit Handicap einen Grund, weshalb Betriebe sich nicht an solche Mitarbeiter binden wollen. Beim Linden-Theater wird Mohammed Benlfkih hingegen als sehr kompetenter und freundlicher Kollege geschätzt. Jetzt ist er hier für den Kinokarten Verkauf und die Buchhaltung verantwortlich. "Ich wünsche mir mehr solcher Betriebe wie das Linden-Theater", wünscht sich Mohammed. Die 28-Jährige Karla Grämer ist über die Werkstatt des St. Vincentstift zum Kino gekommen. Auch sie hat hier einen sicheren Job. Beide werden im Linden-Theater nach einem Werkstatttarif bezahlt.

    Das Konzept geht auf

    In kaum einem anderen Kino geht es familiärer zu. Die Kinokunden kennen das Personal persönlich und auch umgekehrt werden die regelmäßigen Besucher mit Namen begrüßt. "Im Prinzip sind wir eine große Familie", erzählt Susanne Seel. Neben Filmen überträgt das Linden-Theater auch Fußballturniere wie die WM oder er dient als Ort für Geburtstagsfeiern. Das Konzept geht auf. "An manchen Tagen geht die Schlange an der Kinokasse bis zum Metzger von nebenan", berichtet Susanne Seel. Mit einem guten Grund: Viele Besucherinnen und Besucher möchten in das wohl normalste Kino Deutschlands.

    Unterstützung für Menschen mit Handicap

    Serie "good news"

    In der Serie „good news“ geben wir den Menschen eine Stimme, die das Leben noch ein bisschen lebenswerter machen– unabhängig von ihrer Weltanschauung. Denn wir finden: Es gibt so viele fantastische Aktionen von bisher unbekannten Heldinnen und Helden des Alltags, die die goldene Regel mit Leben füllen. Die goldene Regel sagt: „Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest“.
    zu den good news

    [Patrick Wurmbach]

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