Ehrenamtsakademie im Dekanat Kronberg

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    Seelische Gesundheit

    Comeback des Lebens

    Jonas SchulteIm Lettershop der Diakonie-Werkstatt Wetterau werden Etiketten liebevoll und akurat gestaltet

    In der Diakonie-Werkstatt erhalten Menschen mit psychischen Erkrankungen die Chance, sich beruflich neu zu orientieren und neues Selbstbewusstsein zu entwickeln. Und in den letzten Jahren steigt die Nachfrage nach diesem Angebot.

    Die Diakonie-Werkstatt Wetterau in Friedberg ist gefragt. Längst ist sie mit ihren 84 Klienten ausgelastet, geplant wurde die Einrichtung für 60 Plätze. Und weitere 200 Namen stehen auf der langen Liste der Interessenten. „Ja, die Nachfrage ist gestiegen“, bestätigt Michael Jähnel, der für den sozialen Dienst der Diakonie-Werkstatt verantwortlich ist. Hier werden Menschen aufgenommen, die unter Burnout, Psychosen, Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörungen wie Borderline leiden. Im Arbeitsleben sind sie an ihre Grenzen gestoßen und haben festgestellt, dass sie in ihrem alten Beruf nicht mehr weiterarbeiten können. Ziel der Diakonie-Werkstatt ist es, psychisch Kranke behutsam wieder auf das Arbeitsleben vorzubereiten. 

    Neuanfang in der Werkstatt

    Davis Krogmann sitzt am Empfang der Diakoniewerkstatt. Warmherzig lächelnd begrüßt er die Gäste, die an ihm vorbei in den Betrieb gehen. Ob Arbeitskollegen oder Gäste, für jeden hat er ein freundliches Wort. Es ist noch gar nicht lange her, da konnte er selbst jedes offene, freundliche Wort gebrauchen. Er befand sich auf der Talsohle einer Psychose, konnte seinem alten Job als Großhandelskaufmann nicht mehr nachkommen. Auf der Suche nach einer Aufgabe und Tagesstruktur ist er auf die Diakonie-Werkstatt in Friedberg aufmerksam geworden. Schnell hat er hier im Küchenbetrieb und am Empfang wieder Anschluss gefunden. Die meisten der seelisch belasteten Arbeitnehmer waren bereits in Therapie und sind dann über die Klinik oder eine psychosoziale Beratungsstelle an die Diakonie-Werkstatt verwiesen worden.

    Vom ungelernten Arbeiter bis zum Akademiker – psychische Krankheiten können viele treffen

    Davis Krogmann ist einer von 84 Beschäftigten in der Diakoniewerkstatt. Sie arbeiten in sieben Arbeitsbereichen, d.h, in den Bereichen Druck, Versand, Gartenbau, Konstruktion, Montage, Elektro und die hauseigene Küche gehört auch dazu. „In der Regel kommen hier Leute hin, die von einer schweren psychischen Krankheit gezeichnet sind. Vom ungelernten Arbeiter bis zum studierten Akademiker ist alles dabei“, sagt Sozialdienstleiter Michael Jähnel. Den psychischen Krankheiten seien oft schwere Schicksalsschläge voraus gegangen. So hätten einige starke persönliche Krisen und traumatische Erlebnisse durchmachen müssen, andere haben Gewalt oder Missbrauch in ihrer Kindheit erlebt. Auch Erfahrungen mit Drogen hätten dazu geführt, dass sich Psychosen entwickeln konnten. Deshalb seien die Betroffenen außerhalb der Werkstatt noch zusätzlich in Therapie.

    Regelmäßige Beschäftigung stärkt das Selbstbewusstsein

    „Wir wollen sie in einem behüteten Umfeld langsam wieder an den Arbeitsmarkt heranführen“, so Jähnel weiter. Das Konzept folgt dabei einem ganz alten christlichen Grundsatz. „Wir nehmen den Mensch als Ebenbild Gottes und damit in seiner Würde wahr. Deshalb schauen wir nicht zuerst, was kann ein Mensch nicht, sondern wir sehen, was seine Kompetenzen sind“, erklärt Eckhard Sandrock, der Chef der Diakonie Wetterau, die Träger der Werkstatt ist. Trotzdem: Was die Beschäftigten in der Werkstatt leisten, ist beeindruckend. Sie bearbeiten Aufträge von großen Unternehmen. In der Elektronikwerkstatt werden beispielsweise gerade Receiver hergestellt, der Auftrag kommt von einem sehr namhaften Unternehmen. Das Ganze passiert unter Aufsicht von Handwerks- und Industriemeistern. „Wenn mal was nicht so toll klappt, dann bekommt man aber immer Verständnis von seinen Chefs“, so Davis Krogmann. Michael Jähnel erlebt dann, wie die meisten Aufgenommenen sich positiv entwickeln: „Sie schöpfen neues Selbstbewusstsein, fühlen sich unter Gleichgesinnten aufgehoben und erleben, dass sie etwas bewirken können.“

    Positive Rückmeldungen sorgen für zusätzlichen Spaß an der Arbeit

    Die Uhr schlägt 12 Uhr mittags. In der ganzen Werkstatt ist Mittagspause und alle strömen in die Kantine. Hier verteilen die Beschäftigten das Mittagessen, das angeliefert wurde. Manchmal kochen sie auch selber, das Spezialgebiet von Davis Krogmann und seinen Küchenkollegen ist allerdings das Backen: „Wir machen auch echt schwierige Sachen, zum Beispiel erst neulich eine Donauwelle, oder gern auch mal nen Frankfurter Kranz. Da muss man schon ganz genau aufpassen bei der Zubereitung.“ Den Kollegen aus der Werkstatt schmeckt es offensichtlich: „Wenn es mal einen Tag lang nichts gibt, dann kommen sofort die Nachfragen, wann der nächste Kuchen auf dem Tisch steht“, freut sich Krogmann über die positive Resonanz. „Wenn ich wieder auf den freien Arbeitsmarkt komme, will ich’s auf jeden Fall in der Küche probieren!“

    Arbeit für unterschiedliche Talente und Fähigkeiten

    Nicht nur in der Küche, auch in den anderen Abteilungen werden kreative Produkte hergestellt. Die Druckerei kümmert sich zum Beispiel um das Layout und den Print verschiedener Schülerzeitungen. In der Konstruktionsabteilung werden Windspiele in verschiedensten Farben und Figuren gefertigt und für ein Museum werden dort aktuell auch römische und keltische Replikate geschaffen.

    Sprung in den ersten Arbeitsmarkt

    In der Diakoniewerkstatt bekommen die psychisch Erkrankten wieder eine Tagesstruktur. Sie sollen versuchen, möglichst konstant zu arbeiten und sich nicht so schnell aus der Bahn werfen zu lassen. Beschäftigte, deren psychischer Zustand sich stabilisiert hat, dürfen dann probeweise in Partnerbetrieben in der freien Wirtschaft arbeiten. „Das Ganze ist befristet. Die Betriebe haben dann sozusagen ein Rückgaberecht“, erklärt Michael Jähnel. Immer wieder schaffen es Menschen aus der Diakonie-Werkstatt zurück auf den so genannten ersten Arbeitsmarkt. Das ist ein toller Erfolg, angesichts der Tatsache, dass ehemals psychisch erkrankte Menschen eigentlich äußerst schwer vermittelbar sind. Deshalb macht er den Arbeitgebern Mut: „Viele unsere Leute sind meist sehr gut qualifiziert und bereits über einen längeren Zeitraum psychisch stabil.“ Er plädiert dafür, Tabus und Ängste abzubauen.

    Doch Jähnel sieht auch die nüchternen Zahlen. „Zwei Prozent unserer Leute gelingt es, eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden, im hessischen Durchschnitt sind es nur ein Prozent.“ Allerdings habe er den berechtigten Eindruck, dass die Bilanz der Diakonie-Werkstatt positiver ausfalle. Denn diejenigen, die auf eigene Initiative die Werkstatt verlassen und dann einen Job finden, führt die Statistik nicht auf; er kennt diese Erfolgsgeschichten jedoch durch persönliche Gespräche.

    Niemand wird ins Ungewisse geschickt

    Davis Krogmann möchte aber gerne noch ein bisschen bleiben. Er fühlt sich sichtlich wohl in der Diakoniewerkstatt. Seine Aufgaben bereiten ihm sehr viel Freude. Aber nicht nur dass: „Schön ist es auch, mit den Menschen hier zusammenzuarbeiten. Die haben immer ein offenes Ohr. Man kann sich über alles unterhalten und man spürt ein ehrliches Interesse untereinander.“ Auch wenn ein Rehabilitations-Platz nur für zwei Jahre und drei Monate befristet ist, wurde noch niemand weggeschickt. Einige entscheiden sich, als reguläre Beschäftigte weiterzuarbeiten, dann wechselt auch der Kostenträger. Mit Blick auf übervollen Plätze und die lange Wartelistewünscht wünscht sich Jähnel, dass in der Ostwetterau eine weitere Diakonie-Werkstatt eingerichtet wird.
    Nach der Essensausgabe sitzt Davis Krogmann wieder am Empfang: „Machen Sie’s gut. Schön, dass Sie bei uns waren!“

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