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    Synode fordert schnelleren Atomausstieg und persönliche Beiträge für eine risikoarme, nachhaltige Energiezukunft

    "Noch bewusster mit Energie umgehen"

    Weilburg. Die Elfte Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat auf ihrer 3. Tagung in Weilburg/Lahn am Freitag eine Resolution zum Thema Kernenergie verabschiedet.

    Darin fordert sie "einen schnelleren, endgültigen und geordneten Ausstieg aus der Atomkraft (Abbau und Entsorgung) als im alten Atomkonsens vereinbart." Nach Auffassung der Synode übersteigt die Nutzung der Atomenergie "ganz grundsätzlich die Fähigkeit des Menschen zur Verantwortungsübernahme", denn Menschen seien fehlerhafte Geschöpfe. Deshalb müssten auch ihre Technologien Fehler ermöglichen, ohne katastrophale Folgen entfalten zu können. Dies sei bei der Atomkraft nicht der Fall. Es bedürfe eines grundlegenden ökonomischen, sozialen und kulturellen Wandels". Er könne als "Chance für ein gerechteres Miteinander von Mensch und Umwelt und eine friedliche weitere Entwicklung allen Lebens auf der Erde" sein. Als notwendige Voraussetzungen für ein Gelingen der Energiewende nennt die Synode Bewusstseinsbildung, Akzeptanz in der Bevölkerung und eine tatsächliche, umfassende Bürgerbeteiligung. Jeder könne durch eigenes Handeln dazu beitragen, "tragfähige Brücken in eine risikoarme, nachhaltige Energiezukunft zu bauen". Dafür müssten notfalls auch höhere Energiekosten hingenommen werden. Die Kirchensynode ruft Kirchengemeinden, Dekanate und kirchliche Einrichtungen und Werke der EKHN auf, Klimagerechtigkeit in allen Bereichen zu stärken. Dazu gehörte, noch bewusster und effizienter mit Energie umzugehen, eine öko-faire Beschaffung anzustreben sowie Ökostrom mit Qualitätslabel zu beziehen.

    Die EKHN hatte sich bereits im vergangenen Jahr verpflichtet, ihren CO2-Ausstoss bis 2015 um 20 Prozent bezogen auf 2005 zu senken.

    Die Resolution im Wortlaut:

    "Das Entsetzen ist so groß und so nah, dass ich es nicht fühlen kann. Es passt in
    eine Seele nicht hinein." (Pfarrerin der Ev. Gemeinde in Tokio kurz nach der
    Katastrophe in Japan)

    Unsere Gebete und unsere Solidarität gelten allen Opfern der Katastrophe in
    Ostasien. Wir fühlen mit den Menschen dort und bitten alle Christinnen und Christen,
    sie in ihre Gebete einzuschließen. Es dürfen die Menschen jetzt nicht vergessen
    werden, die ihre Angehörigen durch den Tsunami verloren haben, die vor Ort als
    Helfer tätig sind und die alle wie wir in großer Ungewissheit auf die immer noch
    drohende atomare Katastrophe blicken.

    32 Jahre nach dem Atomunfall in Harrisburg/USA und 25 Jahre nach dem Super-Gau in
    Tschernobyl wird durch die dramatischen Entwicklungen in der Atomanlage Fukushima in
    Japan erneut auf dramatische Weise sichtbar, welche unvorstellbar große
    zerstörerische Kraft dieser Technik innewohnt. Atomenergie ist und bleibt gefährlich
    und nicht mit hundertprozentiger Sicherheit beherrschbar. Die Nutzung der
    Atomenergie übersteigt ganz grundsätzlich die Fähigkeit des Menschen zur
    Verantwortungsübernahme: Menschen sind Geschöpfe, die fehlerhaft sind. Die
    Technologien, die wir benutzen, müssen daher fehlerfreundlich sein und ohne
    katastrophale Folgen gehandhabt werden können. Das ist, wie die vergangenen Unfälle
    bewiesen haben, bei Atomkraft nicht der Fall.

    Als Christinnen und Christen tragen wir Verantwortung vor Gott für die Menschen und
    die gesamte Natur. Dies findet seit über 30 Jahren seinen Ausdruck in zahlreichen
    Stellungnahmen der christlichen Kirchen zum Thema Kernenergie, die nun durch das
    Atomunglück in Fukushima erneut in trauriger Weise bestätigt worden sind. Die EKHN
    fordert daher einen schnelleren endgültigen und geordneten Ausstieg aus der
    Atomkraft (Abbau und Entsorgung) als im alten Atomkonsens vereinbart. Wenn es
    wirklich Konsens in unserer Gesellschaft ist, dass die Möglichkeit einer
    Reaktorkatastrophe und nicht deren Eintrittswahrscheinlichkeit entscheidend dafür
    ist, wie die Atomkraft beurteilt wird, dann muss konsequenterweise aus dieser
    Technologie sofort ausgestiegen werden. Um unserer Gesellschaft und zukünftigen
    Generationen die unerträglichen Folgen eines möglichen schweren Reaktorkatastrophe
    zu ersparen, müssen mögliche vorübergehende Belastungen eines Sofortausstiegs wie
    etwas höhere Kosten und unter Umständen ein vorübergehender Anstieg der
    CO2-Emissionen in Kauf genommen werden.

    Die entscheidenden Optionen für eine zukunftsfähige Energieversorgung im Kontext
    eines nachhaltigen Klimaschutzes sind:

    - die Bereitschaft zur Suffizienz / zum entschiedenen Energiesparen

    - der Ausbau der Erneuerbaren Energien,

    - die Nutzung der Kaltreserven im deutschen Stromversorgungssystem,

    - Lastmanagement-Maßnahmen

    - der Neubau von Kraftwerken und dezentralen Blockheizkraftwerken mit
    Kraft-Wärme-Kopplung sowie einigen hocheffizienten Erdgas-Kraftwerken.

    Bewusstseinsbildung, Akzeptanz in der Bevölkerung und eine tatsächliche, umfassende
    Bürgerbeteiligung sind notwendige Voraussetzungen für ein Gelingen der Energiewende
    auf zentraler wie dezentraler Ebene. Wir alle sind daher aufgefordert, durch eigenes
    Handeln tragfähige Brücken in eine risikoarme, nachhaltige Energiezukunft zu bauen.

    Die Kirchensynode dankt allen Kirchengemeinden, Dekanaten und kirchlichen
    Einrichtungen und Werken, die sich hier bereits in vorbildlicher Weise verhalten und
    beispielsweise Ökostrom beziehen, Photovoltaikanlagen installiert haben oder ihren
    Materialeinkauf unter öko-fairen Gesichtspunkten gestalten.

    Die Kirchensynode weist darauf hin, dass die EKHN bis Ende 2011 ein "Integriertes
    Klimaschutzkonzept" entwickelt, in dem Vorschläge für eine systematische und
    kontinuierliche CO2-Reduktion erarbeitet werden. Diese werden folgende Bereiche
    umfassen: Liegenschaften, Mobilität, Beschaffung und Bewusstseinsbildung im Sinne
    einer Schöpfungstheologie.

    Die Kirchensynode weist außerdem darauf hin, dass die EKHN Rahmenverträge mit
    Ökostromanbietern abgeschlossen hat, denen sich Kirchengemeinden, Dekanate und
    kirchliche Einrichtungen und Werke anschließen können.

    Ein zukunftsfähiger Umgang mit Energie ist aber nicht nur eine politische und
    technische Herausforderung. Er erfordert auch Einsicht in die Unzulänglichkeit
    menschlichen Handelns und Ehrfurcht vor dem Leben, aus der sich Grenzen des
    technisch Machbaren ergeben. Dies zielt auf eine Ethik der Selbstbegrenzung ab, die
    sich mit der Möglichkeit auseinandersetzt, mit weniger und schließlich ohne
    Wirtschaftswachstum auszukommen. Zur Bewahrung der Schöpfung, die uns von Gott
    anvertraut wurde, muss ein Gleichgewicht zwischen nachhaltigen ökologischen
    Bedingungen und kurzfristigen ökonomischen Interessen erreicht werden. Es bedarf
    also eines grundlegenden ökonomischen, sozialen und kulturellen Wandels. Dieser
    Wandel kann als Chance für ein gerechteres Miteinander von Mensch und Umwelt und
    eine friedliche weitere Entwicklung allen Lebens auf der Erde begriffen und
    ergriffen werden, damit nicht wieder ein Entsetzen entstehen kann, das in eine Seele nicht hineinpasst.

     

    Zum Thema "Kernenergie" beschließt die Kirchensynode:

    1. Die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) begrüßt
    den gesellschaftlichen und parteiübergreifenden politischen Willen zum Ausstieg aus
    der Kernenergie.

    2. Die Kirchensynode unterstützt die Bemühungen der Landesregierungen in Hessen
    und Rheinland-Pfalz, Konzepte zur nachhaltigen Energieversorgung zu entwickeln und
    umzusetzen. Diese sollen den Aufbau eines zukunftsfähigen Stromnetzes, das auf
    dezentrale, regenerative und damit schöpfungsgemäße Energiegewinnung ausgerichtet
    ist, beinhalten. Maßnahmen zur Energieeffizienz sollen ebenfalls erarbeitet werden.

    3. Die Kirchensynode fordert die Landesregierungen in Hessen und Rheinland-Pfalz
    auf, durch Information, Aufklärung und umfassende Bürgerbeteiligung eine breite
    Akzeptanz in der Bevölkerung für ein Gelingen der Energiewende in Hessen
    herzustellen.

    4. Die Kirchensynode dankt dafür, dass die beiden Atommeiler Biblis A und Biblis
    B abgeschaltet worden sind und fordert die Hessische Landesregierung auf, dafür
    Sorge zu tragen, dass sie nach dem Moratorium dauerhaft abgeschaltet bleiben. Für
    die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der abgeschalteten Kernkraftwerke müssen
    sozialverträgliche Lösungen gefunden werden.

    5. Die Kirchensynode bittet die Kirchenleitung, die Haltung der Kirchensynode den
    Landesregierungen von Hessen und Rheinland-Pfalz umgehend zu übermitteln.

    6. Die Kirchensynode ruft Kirchengemeinden, Dekanate und kirchliche
    Einrichtungen und Werke der EKHN auf: noch bewusster und effizienter mit Energie
    umzugehen, eine öko-faire Beschaffung anzustreben, Ökostrom mit Qualitätslabel zu
    beziehen, um den Atomausstieg selbst zu machen, "Klimagerechtigkeit" in unserer
    Kirche in allen Bereichen, auch in den Geldanlagen, zu stärken.


    Verantwortlich: gez. Pfarrer Stephan Krebs, Pressesprecher

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