Ehrenamtsakademie im Dekanat Kronberg

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    Kinder und Erwachsene

    Raus aus der Ungeduldsfalle

    istock, sturtiUngeduldiges KindDer Vater will noch ein paar berufliche Mails beantworten, der Sohn hat nur ein Ziel: zusammen Fußballspielen. Jetzt. Was nun?

    „Wie lange dauert es noooch?“ Diese Frage kennen alle Eltern von Autofahrten mit ihren Kindern. Warten kann für die Jüngsten zur harten Geduldsprobe werden. Und selbst mancher Erwachsene wartet nicht bis das Frühstück vorbei ist, um eine E-Mail zu beantworten. Dabei soll Warten können zu mehr Lebensqualität führen.

    Während der Fastenzeit nehmen sich einige Menschen vor, sich mehr Augenblicke zum Durchatmen zu gönnen, sie wollen die Ungeduld es Alltags hinter sich lassen. Dazu motiviert die evangelische Fastenaktion „7 Wochen ohne“ mit dem Motto „Augenblick mal!“. Diplom-Psychologe Ulrich Gerth erklärt, dass Geduld für Erwachsene und größere Kinder einen ganz praktischen Nutzen hat: „Sie brauchen die kulturelle Kompetenz des Wartenkönnens tatsächlich. Um die Fähigkeit zu haben, langfristige Ziele anzustreben zu können, müssen Sie eine Durststrecke und das Auf und Ab aushalten können.“ Ulrich Gerth ist Leiter des Beratungs- und Jugendhilfezentrums St. Nikolaus der Caritas in Mainz. Jemand, der nur kurzfristige Ziele habe, verkürze seine Zielperspektive und das schränke letztlich seine Lebensqualität ein. „Warten können ist uns nicht von Geburt an mitgegeben, sondern das müssen wir lernen“, erklärt der Berater. Auf welche Weise das möglich ist, hat er Sebastian Jakobi aus der Multimedia-Redaktion der EKHN im Interview erläutert. Im Sinne eines ökumenischen Miteinanders hat der Redakteur Anfang März die katholische Beratungsstelle der Caritas aufgesucht.

    Sie wollen jetzt spielen, sie wollen jetzt die Süßigkeiten. Warum sind Kinder oft so ungeduldig?

    Ulrich Gerth: Ein Grund ist, dass Kinder einfach schneller als wir Erwachsene sind. Mit den Jahren werden wir langsamer, Kinder stehen noch mitten in ihrem Aktivitätsdrang – sie haben einfach eine andere Geschwindigkeit. Andererseits ist es auch so, dass wir Geduld und Wartenkönnen lernen müssen.
    Welche Voraussetzungen braucht es von Anfang an, um später gut warten zu können?
    Ulrich Gerth: Für ein kleines, neugeborenes Kind ist das Warten überhaupt kein Thema. Das Kind schreit, wenn es Hunger hat und das ist auch überlebenswichtig. Es ist nötig, dass diese kleinen, sensiblen Wesen dann die Erfahrung machen, dass der Hunger gestillt wird. Babys haben aber auch das Bedürfnis nach Beziehung, nach körperlicher Nähe. Wenn es einem Baby schlecht geht oder es einen Mangelzustand wie Hunger oder Kälte empfindet, ist der ganze Körper, der ganze kleine Mensch ist davon ergriffen, bzw. aus dem Gleichgewicht. Dann  sollte das kleine Kind verlässlich die Erfahrung machen: Aha, da ist ein Erwachsener, der mich wieder ins Gleichgewicht bringt. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Babys oder kleine Kinder nicht warten müssen.

    Soll ich auch den Wünschen und Bedürfnissen meiner älteren Kinder sofort nachgeben?

    Ulrich Gerth: Kurzfristig hätten Sie zwar erst einmal etwas Ruhe – bis der nächste Wunsch aufkommt, der befriedigt werden muss. Dann fangen die Mühe und die Klagen der Eltern an, weil die Kinder nicht warten können.
    Je älter der Nachwuchs wird, desto größer wird auch die Spanne, in der er auch mal warten kann, bis ein Wunsch erfüllt wird. 

    Wie mache ich meinem Kind also Lust auf Geduld und Warten? 

    Ulrich Gerth: Das Wichtigste dabei ist, dass die Tochter oder der Sohn die Erfahrung macht:  Warten lohnt sich. Das Kind muss sich sicher sein: Wenn der Erwachsene sagt, dass er nach dem Telefonat in einer halben Stunde zu ihm kommt und ihm dann seine Aufmerksamkeit schenken wird, dann muss er das auch umsetzten. Wenn ein Kind immer wieder die Erfahrung macht, dass ich Versprechen einlöse, dann lernt es auch das Warten.

    Ab welchem Alter können Kinder eine bestimmte Zeit lang warten?

    Ulrich Gerth: Das kann man nicht genau am Alter fest machen, sondern das müssen Eltern bei ihrem Kind erspüren. Erwachsene neigen ohnehin dazu, Kinder zum Warten zu ermuntern. Es kommt auf das Gespür an, um herauszufinden: Was kann ich meinem Kind noch zumuten? Was kann es schon? Wann ist es überfordert? Kinder sind erst einmal fehlerfreundliche Wesen und nehmen es Ihnen nicht übel, wenn Sie einmal zu hohe Anforderungen gestellt haben. Wenn Sie feststellen, dass die Forderung zu hoch war,  verkürzen sie eben die Zeit, die es beim nächsten Mal warten muss. Das ist ein gegenseitiges Lernen. Nach und nach können Sie den Zeitraum verlängern.

    Was sollte ich als Mutter oder Vater vermeiden?

    Ulrich Gerth: Das Kind soll nicht das Gefühl haben, dass es warten muss, weil ein Elternteil gerade keine Lust hat etwas mit ihm zu unternehmen oder nicht `Nein´ sagen will. Das Kind wird dann oft vertröstet - und das Versprechen wird vergessen. Wenn das Kind öfter umsonst wartet, macht es die Erfahrung, dass ich nicht verlässlich bin.

    Oft fällt nicht nur den Kindern das Warten schwer, sondern auch Erwachsenen. Das fällt mir vor allem beim Umgang mit Smartphones auf. Ist das „Warten können“ momentan ein Wert ist, der ein bisschen verloren geht?

    Ulrich Gerth: Ja, das sehe ich auch so. Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Kommunikation beschleunigt hat. Es ist erstaunlich, welche Kommunikationsgeschwindigkeit wir mit elektronischen Medien hinbekommen, mit Smartphones, wie schnell dort Antworten hin und her gehen, im Internet werden Fragen in Sekundenbruchteilen beantwortet. Wenn ich mir einen Film anschauen möchte, lade ich ihn mir herunter. Ich muss nirgendwo hin gehen, warten und etwas ausleihen. Ich kann alles sofort bekommen. Dadurch kann man das Warten verlernen.

    Wie gehe ich mit dem Druck, schnell kommunizieren zu sollen, um?

    Ulrich Gerth: Smartphones sind eine gute Möglichkeit, um Kontakte zu weit entfernt wohnenden Verwandten und Freunden aufrecht zu erhalten. Ich tausche mich oft mit meiner über 80-jährigen Mutter über einen Messaging-Dienst aus. Briefe und Telefongespräche kosten einfach mehr Zeit. Allerdings sollten wir Prioritäten setzten: Es gibt Situationen, da ist mein Kind oder ein anderer Gesprächspartner wichtiger als jemand, der gerade anruft.

    Was ist, wenn Eltern selbst das Warten nicht gut gelernt haben?

    Ulrich Gerth: Es gibt tatsächlich Erwachsene, die nicht warten können, bis ihre Kinder eine Tätigkeit beendet haben. Sie unterbrechen ihre Kinder öfter, zum Beispiel soll ein Kind sofort zum Abendessen kommen – auch wenn es gerade in ein Spiel vertieft ist. Da sollten Eltern ein bisschen warten. Erwachsenen würde man in einer solchen Situation auch eine Vorbereitungszeit einräumen. Wenn man als Erwachsener wartet, bis das Kind fertig ist, ist man auch ein gutes Vorbild.

    Wie können Erwachsene zum Vorbild werden?

    Ulrich Gerth: Der Mensch ist ein flexibles Wesen. Er ist nicht automatisch drauf programmiert, das an seine eigenen Kinder weiterzugeben, was seine Eltern mit ihm in der frühen Kindheit gemacht haben. Denn irgendwann ist man auch für sich selbst verantwortlich. Wenn ein Erwachsener als Kind eine gute Bindung zu den Eltern erlebt hat -  auch wenn er ein bisschen verwöhnt wurde - kann er sich die Ungeduld auch wieder abgewöhnen und das Warten praktisch trainieren. Jeder, der beispielsweise eine Suchttherapie macht, trainiert beispielsweise auch das Warten. Er trainiert, den schnellen Weg der Befriedigung über das Suchtmittel zu vermeiden und die Durststrecke des Unbefriedigtsein auszuhalten - um dann zu einer höheren Befriedigungsqualität kommen zu können. Im Prinzip wenden Sie die Lerntaktik für sich selbst an, die ich ihnen für die Kinder erklärt habe.

    Achtung! Tipp unseres Lesers Reinhard Bayer - falls sich jemand für das "Smartphone-Fasten" entscheidet:

    Bitte an eine aussagekräftige  Abwesenheitsnotiz denken, bevor das Handy ausgeschaltet wird. Sonst kann die Unerreichbarkeit zu Sorgen im Freundeskreis und  z.T. zu teuren Nachforschungen bis hin zu Polizei- und Rettungseinsätzen führen.

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