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    Diakonie und Politik

    Diakoniechef Rühl steht zu Merkels „Wir schaffen das!“

    EKHN/RahnDiakoniechef Horst RühlDiakoniechef Horst Rühl

    Vor einem Jahr sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel den bekannten Satz „Wir schaffen das“. Dieser Satz wurde zur Leitmarke ihrer Flüchtlingspolitik. Der Chef der hessischen Diakonie, Horst Rühl, unterstreicht diesen Satz. Er sieht aber auch Nachbesserungsbedarf in der Flüchtlingspolitik der Regierung.

    Der hessische Diakoniechef Horst Rühl sagte auf Anfrage der Multimediaredaktion: „ In den zurückliegenden Monaten haben sich Menschen in Kirche und Diakonie für Notleidende eingesetzt und damit ein Bekenntnis gegen Ausgrenzung und Stimmungsmache gesetzt.“ Jetzt ginge es darum, das Miteinander in der von Vielfalt geprägten Migrationsgesellschaft so zu gestalten, dass soziale Teilhabe  und Anerkennung für alle wirklich werden können.

    Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin

    In einem epd-Gespräch hatte Diakoniechef Rühl zuvor die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) kritisiert. Der hessische Diakoniechef hatte der Kanzlerin vorgeworfen, in der Flüchtlingsfrage gegenüber den europäischen Partnerländern nicht hartnäckig genug gewesen zu sein. „Wir hätten an dieser Stelle eine Kanzlerin benötigt, die das ganze europäische Haus im Blick behalten hätte“, sagte Rühl in dem vorausgegangenen epd-Gespräch. Die anderen EU-Mitglieder hätten sie zwar auflaufen lassen. „Aber da hätte sie nach meinem ganz persönlichen Empfinden stärker insistieren müssen, weil wir eine europäische Lösung dringend benötigen“, sagte der Theologe.

    Waffenexporte befördern Krise

    Er bezweifle auch, ob die vor einem Jahr getroffene Entscheidung, alle Flüchtlinge einreisen zu lassen, „so richtig war, wie sie umgesetzt worden ist“, befand Rühl im Rückblick. Menschlichfühle er sich von der Kanzlerin mit der Aussage „Wir schaffen das“aber sehr stark vertreten. Rühl rechnet zugleich mit einemanhaltenden Migrationsdruck aus dem Süden. „Solange wir Waffen dorthin exportieren, wo die Krisen sind, müssen wir auch mit den Folgen dieser Krisen umgehen“, forderte er.

    Ängste armer Menschen wahrnehmen

    Deutschland sei als ein sehr reiches Land auch dazu in der Lage. Er könne aber verstehen, „dass Menschen in Armut sich nun besonders bedroht fühlen“. Die meisten Menschen hierzulande könnten jedoch frei von solchen Ängsten sein. Gleichwohl müsse die Politik diese Menschen und ihrer Bedürfnisse wahrnehmen, um den Einfluss der Rechtspopulisten zu mindern.

    Zuwanderung muss nicht an Bildungsfrage scheitern

    Nach Rühl werden in Deutschland und Europa gut konzipierte und durchdachte Resettlement-Programme benötigt, die Flüchtlingen einen Neuanfang erlauben. Zugleich brauche Deutschland aber dringend Zuwanderung. Dafür sei eine gemeinsame Einwanderungspolitik der gesamten Europäischen Union erforderlich. „Dabei dürfen wir nicht nur auf möglichst hohe Qualifikationen achten. Zuwanderung muss nicht an der Frage der Bildung scheitern“, mahnte der Diakoniechef. Es geht auch darum, welche Inklusionsleistungen Deutschland zu erbringen bereit sei. „Inklusion bedeutet nicht nur gerechte Teilhabe an der Gesellschaft, sondern auch eine gerechte Teilhabe an der Gestaltung dieser Gesellschaft.“ Dies betreffe Flüchtlinge genau so wie alte oder behinderte Menschen, fügte Rühl hinzu. „Dazu braucht es Bildung, dazu braucht es Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme, dazu bedarf es aber auch eines Gestaltungswillens der politisch Verantwortlichen.“

    Solidarität stärken statt Steuerentlastungen versprechen

    Sorge bereitet dem Chef der Diakonie die Steuerpolitik der Bundesregierung. Er befürchte, „dass wir durch Steuerentlastungen Chancen verpassen“. Bund, Länder und Gemeinden nähmen derzeit viel mehr Steuern ein als geplant. „Da wird über Steuerentlastungen anstatt über eine Stärkung des solidarischen Systems nachgedacht“, kritisierte Rühl. Generell sorge er sich, „dass wir auf eine stärkere Entsolidarisierung hinsteuern“. Es entstehe womöglich eine Gesellschaftsschicht, „die sich immer mehr ausklinkt und das auch kann, weil sie meint, niemanden mehr zu brauchen.“ Er wünsche sich, dass sich das Bewusstsein, auf Hilfe angewiesen zu sein, in allen Bevölkerungsschichten durchsetze. „Denn auch der Mensch, der finanziell stark ist, ist auf andere angewiesen.“

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