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    JVA Dieburg

    Seelsorge hinter verschlossenen Türen

    Silke RummelPortrait mit Kreuz und KerzePfarrer Guido Hintz ist Ansprechpartner für alle Gefangenen in der JVA Dieburg, ganz gleich, welcher Religion und Weltanschauung sie angehören. „Gefängnisseelsorge ist Teil unseres Auftrags in die Welt zu gehen und in die Welt zu gehen, heißt auch, hinter verschlossene Türen zu gehen.“

    Am 18. Juni wurde Pfarrer Guido Hintz als neuer evangelischer Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Dieburg in sein Amt eingeführt. Seine "Gemeinde" lebt in einer Welt mit eigenen Regeln, als Seelsorger hat er eine gewisse Sonderstellung.

    Von Silke Rummel

    Sieben Türen trennen Guido Hintz‘ Büro von der Pforte, sie alle müssen auf- und wieder zugeschlossen werden. „Ins Gefängnis kommt man nur, wenn man Gefangener ist oder hier arbeitet“, sagt der 48-Jährige. Es ist eine Welt für sich mit Krankenstation und Betrieben, festen Regeln, speziellem Stacheldraht, eigener Währung in Form von Briefmarken, Tabak, Instantkaffee und Schokolade sowie einem häufig piependen Funkgerät, das Alarm- und internes Kommunikationssystem in einem ist. Wer von außen kommt, muss erst einmal Personalausweis und Handy am Eingang abgeben und wird an der Pforte abgeholt. Seit 1. Februar ist der evangelische Theologe der neue Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt in Dieburg, Amtseinführunmg war am 18. Juni.

    Der Gedanke, noch einmal etwas anderes zu machen, ist Pfarrer Guido Hintz nicht fremd. „Charakteristisch für mich ist, dass ich immer auch andere Sachen gemacht habe als Gemeindearbeit“, sagt er. So war er im Sekten-Referat in Düsseldorf, in der Krankenhausseelsorge und in verschiedenen Gemeinden tätig – zuletzt in Kriftel und Kelkheim im Dekanat Kronberg – und hat journalistisch gearbeitet. Jetzt also Gefängnisseelsorge. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt der gebürtige Leverkusener, der lange in Köln gelebt hat und eigentlich im Rheinland arbeiten wollte. Dort aber gab es um die Jahrtausendwende keine Stellen, in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hingegen 120 Vakanzen. Er bewarb sich – mit Erfolg. Hintz pendelt nach Dieburg, er lebt mit seinem Lebenspartner in Frankfurt.

    „Bitte um ein Gespräch“

    In der JVA Dieburg sind 280 Gefangene inhaftiert. Hierher kommen diejenigen, die eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zu verbüßen und die, die kein Geld haben, um ihre Geldstrafe zu bezahlen. Die Fluktuation sei hoch, ebenso  der Anteil an ausländischen Strafgefangenen, vor allem aus Südosteuropa, sagt Hintz. „Schwere menschliche Schicksale haben Sie hier gehäuft.“ Seine Aufgabe ist die seelsorgerliche Begleitung.

    In der Regel schreiben die Gefangenen ein Anliegen mit dem Vermerk „Bitte um ein Gespräch“. Begründet werden muss das nicht, schließlich unterliegt das Gespräch der seelsorgerlichen Schweigepflicht. „Man ist Teil des Systems Justizvollzug, hat aber eine Sonderstellung“, sagt Hintz.

    Es geht um Lebenshilfe, Bewältigung der Tat, um Vergangenheit und Gegenwart

    Sein Büro ist schlicht. Wandschrank, Tisch, Stühle, Telefon, Computer, Kaffeemaschine, gelbe Tassen, eine Loriot-Postkarte auf der Fensterbank. Das Gefängnis ist handyfreie Zone. Wer zu Pfarrer Hintz kommt, bekommt einen „echten“ Kaffee und darf telefonieren. Mancher Bedienstete sieht ihn als „der Tabakverteiler und Telefonierenlasser“. Seine Erfahrung aber ist, dass in einer Männergesellschaft oft ein materieller Anlass nötig ist, um zum Pfarrer zu gehen und das Telefonat der willkommene Vorwand. In den Gesprächen gehe es um Lebenshilfe, Bewältigung der Tat, der Vergangenheit und Gegenwart und die Gedanken an die Zukunft, sagt der Theologe. Nicht selten kreisen die Gedanken der Insassen darum: „Ich bin hier gefangen, was machen die draußen?“ Die Gefangenen sind bis zu zwei Jahre quasi aus dem Leben genommen – jedem steht zwei Mal im Monat ein einstündiger Besuch zu –, die Kontaktaufnahme ist mühselig, Trennungen gibt es häufig.

    „Ich will gerne dazu beitragen, dass die Last geringer wird – aber es ist die Last eines Anderen“, sagt Guido Hintz. Er ist Ansprechpartner für alle Gefangenen, ganz gleich, welcher Religion und Weltanschauung sie angehören. „Gefängnisseelsorge ist Teil unseres Auftrags in die Welt zu gehen und in die Welt zu gehen, heißt auch, hinter verschlossene Türen zu gehen.“

     

    HINTERGRUND

    Die JVA Dieburg liegt vis à vis der Gnadenkapelle, eine bekannte Wallfahrtskirche mit über tausendjähriger Baugeschichte. Das Verwaltungsgebäude mit Büros, Kammer und Gefängniskirche wurde in früheren Jahrhunderten und bis 1822 von den Kapuzinern als Kloster genutzt. 1830 wurde das Gebäude zu einer Arreststätte umfunktioniert, in der zu Beginn nur sogenannte „Forstfrevler“ untergebracht waren, danach aber auch, mit dem Ziel der Besserung, Landstreicher, Bettler, Obdachlose, Trinker und Spieler. 1892 wurde das Gefängnis erweitert, das sogenannte „Arbeitshaus“ war bis 1931 in Betrieb. 1937/38 wurde es für 500 Gefangene ausgebaut und nannte sich Gefangenenlager Rodgau-Dieburg (Stammlager I). In den Jahren 1940 bis 1942 wurden „Kriegstäter“ nach Dieburg überstellt. Darunter befanden sich auch Mitglieder des Widerstandes, wie etwa Fritz Erler.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zwei neue Gebäude mit Hafträumen errichtet, die 1962 und 1964 in Betrieb genommen wurden. Seit 2006 wurde die Anstalt umfangreich renoviert und saniert. 

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