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    Flüchtlingslager: Kirche kritisiert EU

    Zugang zu Asyl ist „Lotteriespiel“ in Idomeni

    Marcel Kuß/ekir.deInsgesamt leben in dem provisorischen Lager Idomeni Schätzungen zufolge zurzeit bis zu 13.000 Menschen.Insgesamt leben in dem provisorischen Lager Idomeni Schätzungen zufolge zurzeit bis zu 13.000 Menschen.

    Evangelische Kirchenvertreter bitten nach den jüngsten Gewaltausbrüchen an der griechisch-mazedonischen Grenze dringend um europäische Hilfe. Zudem solle der Familiennachzug erleichtert werden. Kirchenpräsident Jung hatte mit einer Delegation Anfang April das Flüchtlingslager Idomeni selbst besucht.

    Marcel Kuß/ekir.deZu einem Solidaritätsbesuch bei der Griechischen Evangelischen Kirche reisen (v.l.) der Interkulturelle Beauftragte der EKHN Pfarrer Andreas Lipsch, Doris Peschke (Generalsekretärin der Kirchlichen Kommission für Migranten in Europa), der Moderator des Reformierten Bundes, Martin Engels, EKHN-Kirchenpräsident Dr. Volker Jung und Präses Manfred Rekowski von der Evangelischen Kirche im Rheinland.Zu einem Solidaritätsbesuch bei der Griechischen Evangelischen Kirche reisen (v.l.) der Interkulturelle Beauftragte der EKHN Pfarrer Andreas Lipsch, Doris Peschke (Generalsekretärin der Kirchlichen Kommission für Migranten in Europa), der Moderator des Reformierten Bundes, Martin Engels, EKHN-Kirchenpräsident Dr. Volker Jung und Präses Manfred Rekowski von der Evangelischen Kirche im Rheinland.

    Darmstadt/Düsseldorf/Hannover, 12. April 2016. Angesichts der jüngsten Eskalation im griechischen Flüchtlingslager Idomeni haben hochrangige evangelische Kirchenvertreter am Dienstag (12. April) in einer gemeinsamen Erklärung auf einen menschenwürdigen Umgang mit den Schutzsuchenden an der griechisch-mazedonischen Grenze gedrungen. Am Wochenende war es zwischen Flüchtlingen und Sicherheitskräften zu Auseinandersetzungen mit zahlreichen Verletzten gekommen. Der rheinische Präses Manfred Rekowski, der hessen-nassauische Kirchenpräsident Dr. Volker Jung und der reformierte Moderator Martin Engels erneuerten ihre Forderung nach europäischer Hilfe in Idomeni: „Solche Zustände darf es mitten in Europa nicht geben.“

    Familienzusammenführung leichter möglich machen

    Bei einem Besuch in dem Flüchtlingscamp hatten sich Rekowski, Jung und Engels in der vergangenen Woche selbst ein Bild von der Situation in Griechenland gemacht. Sie zeigten sich entsetzt von den Zuständen, bei denen humanitäre Standards „weit unterschritten“ würden. Zudem grenze die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen im Lager an eine „Lotterie“. Es bestünden dafür aktuell kaum Möglichkeiten zur Verfügung. Die Schutzsuchenden misstrauten zudem den griechischen Behörden. Rekowski, Jung und Engels machen sich deshalb in der Erklärung mit dem Titel „Idomeni darf nicht so bleiben“ auch dafür stark, dass Schutzsuchende von Griechenland aus umgehend Zugang zu Umsiedlungsprogrammen erhalten, um in anderen europäischen Ländern ihre Asylverfahren zu durchlaufen. Dies gelte insbesondere für allein reisende Frauen und Frauen mit Kindern. Die Kirchenvertreter baten insbesondere die deutsche Bundesregierung, eine Zusammenführung von getrennten Familien „schnell und unbürokratisch“ zu ermöglichen.

    Evangelische Kirchen wollen Hilfe in Griechenland aufstocken

    Rekowski und Jung kündigten zudem an, die Flüchtlingsarbeit der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen in Griechenland finanziell besser auszustatten. Gestärkt werden soll neben der humanitären Hilfe vor Ort vor allem die Unterstützung bei der Zusammenführung von Familien.

     

    WORTLAUT
    Idomeni darf nicht so bleiben

    Gemeinsame Erklärung nach dem Solidaritätsbesuch von Vertreterinnen und Vertretern der Evangelischen Kirchen im Rheinland (EKiR), in Hessen und Nassau (EKHN) und des Reformierten Bundes in Idomeni und bei evangelischen Kirchen in Griechenland, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind. 

    In Idomeni harren derzeit zwischen 12.000 und 14.000 Menschen unter erbarmungswürdigen Umständen vor der mittlerweile geschlossenen griechisch-mazedonischen Grenze auf Feldern aus. 40 Prozent von ihnen sind Kinder, viele unter 14 Jahre alt. Die Lage ist katastrophal. Es mangelt an menschenwürdiger Unterbringung, geregelter Versorgung und Sicherheit. Humanitäre Standards sind weit unterschritten. Da auch aus offiziellen Lagern in Griechenland berichtet wird, dass die Versorgung ungenügend ist und Unklarheit über die möglichen Verfahren besteht, vertrauen die Flüchtlinge den Aufrufen, in andere Lager zu ziehen, nicht.

    Unterstützt werden die Menschen fast ausschließlich durch beeindruckendes Engagement von Ehrenamtlichen aus Kirchen und Initiativen. Obwohl die griechische Bevölkerung unter der Wirtschaftskrise leidet, helfen viele Griechinnen und Griechen mit ihren eigenen Mitteln, das Leid zu lindern.

    Es ist Schutzsuchenden fast unmöglich, einen Asylantrag zu stellen, denn es gibt ausschließlich und immer nur für kurze Zeit eine Online-Registrierung für ein Asylverfahren. Weil sich innerhalb dieses kleinen Zeitfensters nur selten Menschen registrieren lassen können, grenzt es an eine Lotterie um Asylplätze. Damit wird ihnen ein zentrales Menschenrecht vorenthalten.

    Solche Zustände darf es mitten in Europa nicht geben. Es ist gemeinsame Aufgabe der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass Schutzsuchende in Europa menschenwürdig untergebracht und registriert werden und zeitnah Zugang zu einem regulären Asylverfahren bekommen.

    Da beides in Griechenland gegenwärtig offenbar nicht gewährleistet werden kann, angesichts geschlossener Grenzen die Zahl der Flüchtlinge in prekärer Situation kontinuierlich steigt und die humanitäre Krise in Griechenland immer gravierender wird, halten wir es für dringend geboten, dass Schutzsuchende auch von Idomeni aus umgehend Zugang zu Umsiedlungsprogrammen (Relocation) haben, um in anderen europäischen Ländern ihre Asylverfahren zu durchlaufen.

    Entsprechend sollten die EU-Mitgliedsstaaten und die mit dem Umsiedlungsprogramm befassten Agenturen mit den griechischen Behörden schnell und unbürokratisch die Umsiedlung insbesondere von allein reisenden Frauen und Frauen mit Kindern ermöglichen. Zugleich muss der Zugang zum Asylverfahren in Griechenland zügig und zuverlässig gestaltet werden. Mit gemeinsamen Anstrengungen der europäischen Staaten sollte es möglich sein, diese beschämende Situation innerhalb von zwei bis drei Monaten aufzulösen und den Flüchtlingen endlich Schutz zu gewähren.

    Die meisten der in Idomeni gestrandeten Flüchtlinge kommen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan und sind mit hoher Wahrscheinlichkeit schutzberechtigt. Viele haben Familienangehörige in Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Wir bitten insbesondere die deutsche Regierung dringend darum, in solchen Fällen eine Zusammenführung der getrennten Familien schnell und unbürokratisch zu ermöglichen.

    Die EKiR und die EKHN wollen die Flüchtlingsarbeit der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen in Griechenland verstärkt und auch finanziell unterstützen. Gestärkt werden sollen sowohl die dringend notwendige humanitäre Hilfe vor Ort als auch die Beratungsstrukturen, um Schutzsuchenden zu ihren Rechten zu verhelfen, insbesondere wenn es um die Zusammenführung von Familien geht.
    (12. April 2016) 

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