Ehrenamtsakademie im Dekanat Kronberg

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    Nächstenliebe

    Ehrenamtlicher hilft jungem Afghanen durch Paragrafen-Dschungel

    Charlotte MattesQais und Sebastian Koch haben sich durch "Socius" kennengelernt

    Durch das Engagement seines Mentors kann Qais in Deutschland bleiben - nach drei Jahren Asylverfahren. Das Ausbildungsprogramm „Socius“ hat sie zu Freunden gemacht.

    Sebastian Koch und Qais kennen sich seit circa zwei Jahren. Das erste Mal haben sie sich im evangelischen Zentrum für Beratung und Therapie am Weißen Stein, in Frankfurt, gesehen. Das Zentrum wägt zuvor ab, ob Mentor und Mentee zusammenpassen. Bei Qais und Sebastian Koch war schnell klar: Sie passen zusammen. Am Anfang haben sich Mentor und Mentee fast täglich gesehen und sich dadurch sehr gut kennengelernt. „Ich finde, dass wir sehr privilegiert sind in Deutschland“, findet Sebastian Koch. Das erfahre er durch Qais Lebensgeschichte. Als ehrenamtlicher Mentor möchte er etwas zurückgeben.

    „Socius“ bildet Mentoren aus und gibt Sicherheit

    Damit Mentoren wissen, was sie alles leisten können und wo Grenzen sind, werden sie ausgebildet. „Es geht nicht darum Vater- oder Mutterersatz zu werden, sondern einem anderen Menschen zu helfen eigenständig auf die Beine zu kommen“, betont Pfarrer Jürgen Mattis. Er ist der Leiter des Fachbereich I des evangelischen Regionalverbandes. Die Hauptaufgabe bestünde darin, Mentees bei Behördengängen zu begleiten und gemeinsam Formulare auszufüllen. „Denn“, so Jürgen Mattis: „Es ist oft sehr schwierig, sich in einem ungewohnten, deutschen Behörden- und Amts-Dschungel zurechtzufinden.“

    Qais bricht mit 15 alleine in Afghanistan auf

    Qais lebt seit 2011 in Deutschland. Mit 15 Jahren ist er alleine geflüchtet. Die genauen Gründe, warum er aus Afghanistan weg wollte, möchte er aus Sicherheitsgründen nicht erzählen. Nur so viel: Er kommt aus Kunduz, das ist direkt an der Grenze zu Tadschikistan, rund 5000 Kilometer Luftlinie von Frankfurt entfernt. Sein kleiner Bruder lebt noch dort, mit ihm hält der zurückhaltende Qais Kontakt. In Deutschland angekommen, hat Qais zwei Tage bei seiner Tante gelebt. Dann musste er nach Gießen umziehen: In die hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, in der er sechs Monate gelebt hat. In Gelnhausen hat Qais seinen Hauptschulabschluss gemacht, denn in Afghanistan durfte er nicht zur Schule gehen. Mittlerweile lebt er in einer eigenen Wohnung in Maintal und macht ein Praktikum in einem Offenbacher Handy-Laden. Dass er eine Perspektive in Deutschland hat, verdankt er seinem Mentor.

    Sebastian investiert viel Zeit um sich für Qais stark zu machen

    Qais Asylverfahren lief drei Jahre lang. Das Ergebnis: Er sollte weder Asyl noch einen Flüchtlingsstatus bekommen. Das heißt: Er hätte nach Afghanistan zurückkehren müssen. Sebastian Koch hat eine engagierte Anwältin für Qais organisiert und ist sich sicher: „Diese rechtliche Hürde hätte Qais ohne mich nicht geschafft.“ Sebastian Koch hat erreicht, dass Qais vorerst in Deutschland bleiben darf, solange sich die Situation in Afghanistan nicht verändert.

    Nächster Schritt: Ausbildungsplatz finden

    Qais hat in Afghanistan in einem Handy-Laden gearbeitet, jetzt sucht er eine Ausbildung. Am liebsten würde er Verkäufer werden oder in die Telekommunikations-Branche gehen. Eins ist sicher, seinen Mentor möchte Qais nicht missen: „Mit Sebastian will ich für immer Kontakt haben, er ist sehr lieb. Früher war es eine Patenschaft, jetzt ist es Freundschaft“. 

    Hintergrund:

    „Socius“ ist ein Ausbildungsprogramm des evangelischen Regionalverbandes in Frankfurt. Das Programm hat im Jahr 2012 mit 18 Ausbildungen zu Mentoren begonnen. Momentan läuft die Bewerbungsphase für die Ausbildung des vierten Jahrgangs. Noch bis zum 20. Januar 2015 können sich interessierte Bürger bewerben. Ziel ist, das Zertifikat des „Mentors der Sozialberatung für Migranten und Flüchtlinge“ zu erhalten. Nach ihrer Ausbildung sollen Mentoren zwei Jahre lang, ehrenamtlich Flüchtlinge oder Migranten betreuen. Wenn Mentoren ihrem Ehrenamt nicht nachgehen, fordert der evangelische Regionalverband 800 Euro für Ausbildungskosten zurück.

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