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    Sonntagsarbeit

    Sonntagsschutz: „Leipziger Urteil hilft Diskussion“

    RobertoMussi/istockphoto.comBundesverwaltungsgericht in Leipzig

    Dürfen Bierbrauer oder Mitarbeiter in Call-Centern und Videotheken am Sonntag in Hessen arbeiten? Darüber hat am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Foto) entschieden und enge Grenzen gesetzt. Die evangelische Kirche findet das Urteil hilfreich für die Diskussion um den Wert der Sonn- und Feiertage in ganz Deutschland.

    Leipzig / Darmstadt, 26. November 2014. Für die Sonntagsarbeit in Hessen gelten ab sofort engere Grenzen. Das entscheid das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwochabend (26. November). Damit sind in Hessen Regelungen nicht mehr wirksam, nach denen beispielsweise in Videotheken, Bibliotheken, Call-Centern sowie Lotto- und Toto-Annahmestellen auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden darf. Die Landesregierung teilte noch am späten Mittwochabend mit, das Urteil sofort umzusetzen. Dagegen verwies das Leipziger Gericht die Frage nach der Herstellung von Getränken oder Speiseeis zur Klärung wieder an den hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Die Leipziger Entscheidung gilt als Grundsatzurteil und wird voraussichtlich eine bundesweite Diskussion über die Bedeutung des Sonntagsschutzes auslösen, da fast alle Länder ähnliche Verordnungen besitzen.

    Bedarfsgewerbeverordnung in weiten Teilen gekippt

    Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wertete das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur Sonntagsarbeit als beachtlichen Teilerfolg und sieht es als hilfreich für die weitere Diskussion zum Schutz der Sonn- und Feiertage an. Die Leipziger Richter hatten die sogenannte Bedarfsgewerbeverordnung für Hessen weitgehend gekippt, die Sonntagsarbeit verstärkt möglich machen sollte. Sie waren damit der Revisionsklage der Landesregierung zur Sonntagsarbeit nur teilweise gefolgt.

    Südhessische Dekanate hatten Klage angestrengt

    Ursprünglich hatten die südhessischen evangelischen Dekanate Darmstadt-Stadt und Vorderer Odenwald gemeinsam mit dem Landesbezirk Hessen der Gewerkschaft verdi als Mitglieder der „Allianz für den freien Sonntag“ eine Klage gegen die Regelungen angestrengt. Zunächst hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel im September 2013 die Bedarfsgewerbeverordnung in weiten Teilen für unwirksam erklärt. Sie habe vor allem die im Grundgesetz verankerte Sonntagsruhe nicht genügend berücksichtigt. Daraufhin legte das Land Hessen beim Bundesverwaltungsgericht Revision ein.

    Gemeinsame Zeit ist vor allem für Familien wichtig  

    „Wir begrüßen, dass das Bundesverwaltungsgericht sich intensiv mit Fragen des Sonntagsschutzes auseinandergesetzt hat. Das Urteil ist hilfreich für die weitere Diskussion rund um die Zukunft unserer Sonn- und Feiertage“, sagte die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Ulrike Scherf. Nach Scherfs Worten sind Sonntage und Feiertage dazu da, „sich zu erholen, zu besinnen und gemeinsame Zeit zu verbringen“. Sie seien wichtig für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Familien litten beispielsweise besonders unter flexiblen Arbeitszeiten und fänden immer weniger Zeit füreinander. „Bei allen berechtigten Interessen der Wirtschaft haben die Bedürfnisse der Menschen Vorrang“, sagte Scherf. Sie warnte vor einer „Durchökonomisierung des Alltags“. Scherf: „Gerade der Sonntag erinnert daran, dass Menschen nicht nur zur Arbeit geschaffen sind und unsere Würde nicht an unserer Leistung hängt. Wir brauchen die heilsame und gemeinsame Unterbrechung am Sonntag, um uns auf das Wesentliche im Leben zu besinnen.“

    Guter Tag für den Sonntagsschutz  

    „Es ist ein guter Tag für den Sonntagsschutz“, sagte Dr. Michael Vollmer, Präses des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald und Facharzt für Arbeitsmedizin, nach der Urteilsverkündung in Leipzig, „insbesondere, weil das Gericht die hessischen Regelungen für die Sonntagsarbeit in Callcentern glatt für unwirksam erklärt hat.“ Davon wären viele Menschen betroffen gewesen, so Vollmer. Die „schwammigen Formulierungen“ hätten Tür und Tor für die Sonntagsarbeit in weiten Teilen des Dienstleistungsgewerbes öffnen können. Vollmer wertet die Entscheidung für die Produktion von Getränken und Eis, die in Hessen nun überarbeitet werden müssen, als „großen Erfolg, da der Verordnungsgeber nun aufgefordert ist, genau nachzuweisen, unter welchen Bedingungen die Sonntagsarbeit in diesen Bereichen notwendig sein soll“. Dem Urteil komme zudem eine bundesweite Bedeutung zu, da nun auch vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern angepasst werden müssten, so Vollmer. Die stellvertretende Dekanin des Dekanats Darmstadt-Stadt, Barbara Themel-Reith erklärte nach der Urteilsverkündung: „Das Urteil wertet den Sonntagsschutz wieder auf, nachdem dieser durch die Bedarfsgewerbeverordnung in Hessen empfindlich eingeschränkt werden sollte".

    Auch die EKD begrüßt das Leipziger Urteil  

    Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat das Leipziger Urteil begrüßt.  Es habe zu weit gehenden Ausnahmeregelungen von der Sonn- und Feiertagsruhe Einhalt geboten. „Für Christen ist jeder Sonntag und kirchliche Feiertag ein hohes religiöses Fest“, erinnerte der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke. Der Sonn- und Feiertagsschutz als bewährtes Kulturgut gehe aber über den Schutz des Religiösen noch hinaus. Sonn- und Feiertage seien im Grundgesetz als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ festgeschrieben. So verbinde das Gesetz mit der Sonntagsruhe „aus gutem Grund religionsbezogene Gewährleistungen mit  sozialpolitischen Motiven, die ein Ruhen der Alltagsgeschäftigkeit an diesen Tagen rechtfertigen und zur Regel machen“. Anke: „Möglichst wenige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen am Sonntag arbeiten müssen. Hinter diesem Anliegen hat ein bloßes Wirtschafts- und Wettbewerbsinteresse zurückzustehen.“

    Synode kritisierte bereits 2012 Landesregierung   

    Bereits vor zwei Jahren hatte die Kirchensynode der EKHN die Hessische Landesregierung aufgefordert, die seit 2011 geltende Bedarfsgewerbeverordnung zurückzunehmen. In dem Beschluss hieß es, dass arbeitsfreie Sonn- und Feiertage dem Menschen und der Gesellschaft dienten, „indem sie gemeinschaftliches Handeln in Familie, Freundeskreis, Kirche und Verein ermöglichen und dadurch soziale Beziehungen stärken, die für ein friedvolles Zusammenleben unerlässlich sind“.

    Kirche ist Mitglied in „Allianz für den freien Sonntag“

    Die EKHN gehört unter anderem mit ihren Dekanaten Darmstadt-Stadt und Vorderer Odenwald zur „Allianz für den freien Sonntag Hessen“. Seit 2010 tritt der Zusammenschluss aus vornehmlich kirchlichen und gewerkschaftlichen Mitgliedern für den Schutz des Sonntags ein. Die überparteiliche Allianz stellt sich nach eigenem Bekunden gegen die zunehmende Entwicklung zu einer „Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft“ und fördert den freien Sonntag als gemeinsamen „Zeitanker“  für die Menschen.

     

    Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ist hier direkt im Internet abrufbar (AZ: BVerwG 6 CN 1.13): http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2014&nr=69

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