Ehrenamtsakademie im Dekanat Kronberg

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    Buß- und Bettag

    Schuld und Sünde

    PeopleImages/istock.comFrau schaut aus dem Fenster

    Zu viel in der Konditorei geschlemmt, zu tief ins Glas geschaut und dann ans Steuer oder gar den Ehepartner betrogen? Bei solchen Fehltritten gegenüber eingeschworenen Regeln reden wir gern von kleinen und großen „Sünden“. Ursprünglich aber hatte das Wort Sünde eine positive, eine erhellende Kraft.

    In unserem Alltag schwimmt der Begriff der Sünde eher an der Oberfläche. Und: Sünde wird verstanden als ein Verstoß gegen die Moral, zum Beispiel wenn es um die Frage von Abtreibung geht, oder wenn Alkohol und Drogenkonsum im Spiel sind. Viele Menschen wollen mit dem Wort „Sünde“ nichts zu tun haben, weil sie damit kirchliche Vorschriften verbinden, die nicht mehr akzeptabel, unzeitgemäß und genussfeindlich daher kommen. Vor allem aber, Sünde scheint gleichbedeutend mit Schuld zu sein.

    Gott ist kein Buchhalter der Soll und Haben einander gegenüberstellt

    Tatsächlich ist auch im Neuen Testament die Rede von Sünde als Schuld gegenwärtig, so Gary Anderson, Theologieprofessor an der Universität in Notre Dame. Jesus hat Geschichten von Schuldnern und Gläubigern erzählt, um die Dynamik von Sünde und Vergebung zu veranschaulichen. Damit ist aber keineswegs gemeint, dass Gott über seinen himmlischen Büchern sitzt und jede menschliche Handlung in Gut und Böse verbucht. Gerade das mittelalterlich vorbelastete Sündenverständnis macht es den evangelischen Kirchen oft schwer, über die Sünde zu predigen. Zu groß ist die Gefahr, als „Moralapostel“ mit erhobenem Zeigefinger wahrgenommen zu werden.

    Sünde und Schuld stehen in einer Wechselbeziehung

    Die evangelische Theologin Hanna Roose, Professorin in Bochum, verweist zur Klärung auf das Johannesevangelium, denn da wird deutlich: Sünde meint den Unglauben. Der Mensch und mit ihm die ganze Welt hat sich von Gott abgewandt. Schuld wiederum ist die konkrete Konsequenz daraus. „All unsere Fehler und unsere Schuld wurzeln in dieser einen Grundverfehlung, genannt Sünde“, erklärt Roose. Sünde ist also nicht ausschließlich eine bestimmte Tat, sondern sie ist eine existenzielle Erfahrung. Aus dieser Gegebenheit heraus handeln Menschen und werden notgedrungen auch dabei schuldig.

    Sünde ist die Verzweiflung vor Gott

    Der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard brachte diesen Konflikt bereits im 19. Jahrhundert auf den Punkt: Sünde ist die Verzweiflung des eigenen Selbst in seinem Dasein fern von Gott. Wenn beispielsweise eine Liebesbeziehung für immer scheitert, bleibt der Geliebte unerreichbar. Diese Verzweiflung ist keine Besonderheit und keine Ausnahme, sondern eine allgemeine Befindlichkeit der menschlichen Existenz. So gesehen ist die individuelle Schuld jedes Menschen immer das Ergebnis einer vorangegangenen Verzweiflung. Die Möglichkeit eines Ausweges kann für Kierkegaard nur der christliche Glaube sein.

    Sünde als Chance der Erkenntnis

    Genau hier verbirgt sich in der Sünde eine großartige Chance für jeden Einzelnen. Martin Luthers Einsicht macht den feinen Unterschied zwischen Sünde und Schuld deutlich. Nicht auf die guten Werke, sondern auf den Glauben kommt es bei ihm an. Luther war der Ansicht, Sünde ist der Beginn eines Erkenntnisprozesses. Sünder werden heiße: „die Wahrheit über Gott und über sich selbst zu erfahren“. Das konkrete Angebot für eine neue, heile Beziehung zu Gott erfährt der Mensch in Jesus Christus. Sein Erbarmen kommt den Glaubenden zuvor, bevor sie sich anstrengen. Beispielsweise können sich Eltern noch so sehr bei der Erziehung ihrer Kinder bemühen. Fehler werden ihnen dennoch unterlaufen. Der Einzelne kann noch so sehr versuchen, vor Gott vollkommen zu sein – es wird ihm nicht gelingen. Und das muss es auch nicht: Durch die Hingabe am Kreuz hat Jesus Christus die Sünde als Grundverfehlung aufgehoben. Die Erkenntnis, vor Gott nicht nur ein Gerechter, sondern auch ein Sünder zu sein, legt den Grundstein des Glaubens.

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