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    Reformationstag: Mika im Interview

    Medien tragen Mitverantwortung für Stimmung gegenüber Flüchtlingen

    EKHN/Frankfurter RundschauBascha MikaBascha Mika leitet seit 2014 die Redaktion der „Frankfurter Rundschau“ gemeinsam mit Arnd Festerling.

    Nach dem Motto der Reformation „Hier stehe ich und kann nicht anders“ bezieht Bascha Mika Position zur Flüchtlingsfrage. Als Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau will sie mit realistischem Blick dazu beitragen, die Willkommenskultur für Flüchtlinge aufrecht zu erhalten. Als fünfjähriges Mädchen hat sie selbst erlebt wie es ist, als Fremde in Deutschland anzukommen.

    Die Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau möchte die Kirchen hinsichtlich der Flüchtlingsfrage stärker in die Pflicht nehmen, das erklärt Bascha Mika im Interview mit der Multimedia-Redaktion der EKHN. Darauf wird sie intensiv in ihrem Vortrag „Migranten, Medien und die (Ohn)Macht der Kirchen“ eingehen, den sie am 31. Oktober im Rahmen der zentralen Reformationsfeier der EKHN in Wiesbaden hält. Vorab berichtet die Journalistin, wie sie durch ihren Beruf gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und welche persönlichen Erfahrungen sie mit dem Thema Integration gemacht hat.

    Was treibt Sie als Journalistin an?

    Bascha Mika: Als Bürger und Bürgerinnen müssen wir uns politisch einmischen. Ich mache das, indem ich versuche, journalistisch und publizistisch Öffentlichkeit für wichtige Themen herzustellen. Denn Öffentlichkeit und der gesellschaftliche Diskurs gehören zu den  Grundlagen unserer Demokratie.  Gut, wenn ich  als Journalistin etwas dazu beitragen kann, finde ich das toll.

    Welche Funktion haben die Medien, die Sie verantworten, also die Frankfurter Rundschau, bei der Flüchtlingskrise?

    Bascha Mika: Die Haltung unserer Zeitung zur Flüchtlingsfrage ist ganz klar: Wir wissen, dass es nicht einfach sein wird, so viele Menschen ins Land kommen zu lassen und sie zu integrieren. Aber ich bin der Meinung, genau das zu versuchen, ist unsere Pflicht und Aufgabe. Ebenso sollten wir jeder Form von Fremdenfeindlichkeit, Ablehnung gegenüber Flüchtlingen, Rassismus und rechtsradikalem Ansinnen scharf entgegentreten. Wir Medienleute sind auch mitverantwortlich dafür, wie sich die Stimmung im Land entwickelt. Wir sind auch  mitverantwortlich, ob die  Willkommenskultur aufrechterhalten wird oder ob wir in Abschottung und Ausgrenzung verfallen.

    Sie selbst sind 1959 als fünfjähriges Mädchen von Polen in die Bundesrepublik gezogen. Wie haben Sie das Thema Integration selbst erlebt?

    Bascha Mika: Mit fünf Jahren bekommt man schon viel mit, selbstverständlich habe ich den Bruch mit unserem Leben in Polen und den Neustart in Aachen sehr klar erlebt. Weil ich als deutschstämmige Schlesierin zweisprachig aufgewachsen bin, hatte ich allerdings keine Sprachschwierigkeiten. Trotzdem habe ich mich aufgrund der unterschiedlichen Mentalitäten sehr fremd gefühlt. So wird beispielsweise in Aachen wild Karneval gefeiert, als Kind erschien es mir anfangs absurd, dass Menschen plötzlich so taten, als wären sie alle fröhlich. In der Schule war ich jedoch gut integriert, denn zu meiner Klasse gehörten noch mehr  Kinder von Spätaussiedlern, zudem hatte ich eine sehr nette Lehrerin und war eine gute Schülerin.

    Sie vermitteln in Ihrem Buch „Mutprobe“ den Eindruck, dass es ganz schnell passieren kann, sich nicht mehr der Mitte der Gesellschaft zugehörig zu fühlen, wenn man nur eine kleine, winzige Norm „verletzt“ – nämlich als Frau älter zu werden und nicht mehr jung und strahlend frisch zu wirken. Was verhindert Ihrer Auffassung nach Integration und Gemeinschaft?

    Bascha Mika: Die  Mechanismen, die Integration und Gemeinschaft verhindern, fallen nicht vom Himmel, sondern  sind kulturelle Prägungen. Was unsere Bilder und Wertungen im Blick auf die älter werdende Frau angeht, sind sie schon vor über 3000 Jahren geprägt worden.So lassen sich bereits in griechischen und römischen Quellen abwertende Texte über ältere Frauen finden. Diese uralten Bilder schleppen wir bis heute  mit. Es fällt uns schwer, Werturteile aufzubrechen und durch neue Vorstellungen zu ersetzen.
    Unser alltägliches Leben ist sehr vielen  Normen unterworfen. Für mich ist die entscheidende Frage: Kommen diese Normen uns eher zugute oder verhindern sie unsere freiheitliche Entwicklung?  Dort, wo Normen schaden, sollten wir sie verändern. Denn Normen sind nicht in Stein gemeißelt, das zeigt der Blick auf andere Kulturkreise, in denen die Gesellschaft älter werdenden Frauen eine ganz andere Wertschätzung entgegenbringt. Das wirkt sich soweit aus, dass japanische Frauen weniger körperliche Beschwerden während der  Wechseljahre haben. In Regionen, in denen die ältere Frau wenig gilt, haben Frauen hingegen mehr Probleme mit der Menopause. Mangelnde Wertschätzung hinterlässt körperliche Spuren.

    Es gibt aber auch positive Beispiele von Integration. Woran denken Sie dabei?

    Bascha Mika: Zum Beispiel an die Stellung von Lesben und Schwulen! Heute sind homosexuelle Paare  nahezu gleichgestellt, das wäre noch vor 25 Jahren nicht denkbar gewesen. Hier haben wir  eine gelungene Integrationsgeschichte, bei der sich der gesellschaftliche Blick verändert hat. Das ist zwar noch nicht in allen Teilen der Gesellschaft angekommen – aber wie man sieht, in vielen.

    Sie halten einen Vortrag am Reformationstag. Weshalb ist dieser protestantische Festtag für Sie wichtig?

    Bascha Mika: Zum einen finde ich wichtig, dass wir immer mal wieder im Alltagsgeschäft inne halten, dazu braucht es Feiertage. Zum anderen war die Reformation eine Revolution, das ist für mich der entscheidende Aspekt:  Der Widerstand  gegen eine korrupte und nicht mehr glaubwürdige katholische Kirche.

    Welche Rolle messen Sie beim Thema Migration und Integration der Kirche bei?

    Bascha Mika: In Polen wurde ich sehr katholisch erzogen. Ich habe die Aufgabe der  christlichen Kirchen immmer so verstanden, dass sie sich für die Entrechteten, die Mühseligen und Beladenen einsetzen müssen. Deshalb wünsche ich mir, dass die Kirche in der Debatte über Flüchtlinge ganz laut wird. Was mich irritiert:  Sehr viele Menschen, die sich in der Kirche ehrenamtlich engagieren, sind rund um die Uhr für Flüchtlinge da. Aber die Institution ist viel zu leise.

    Vielen Dank für das Gespräch.

    Haltung der Kirche zum Thema "Flüchtlinge":

    Themen-Special "Flüchtlinge"

    Video-Interview mit dem Kirchenpräsidenten zum Thema "Flüchtlinge"

    Kirchenpräsident: Deutschland kann Zuwanderung gebrauchen

    Leitende Geistliche fordern legale Zugangswege nach Europa

    Reformationstag

    News zum Reformationstag

    (Die Fragen stellte Rita Deschner)

    Zur Person:

    Bascha Mika leitet seit 2014 die Redaktion der „Frankfurter Rundschau“ gemeinsam mit Arnd Festerling. Zuvor war sie von 1998 bis 2009 Chefredakteurin der „taz“ in Berlin. Sie ist in Polen geboren und im Alter von fünf Jahren siedelte ihre Familie in die Bundesrepublik Deutschland nach Aachen über. Die gelernte Bankkauffrau studierte Philosophie, Germanistik und Ethnologie bevor sie 1988 in der Nachrichtenredaktion der „taz“ ihre journalistische Karriere begann. Mika hat zudem eine Honorarprofessur an der Universität der Künste in Berlin inne. Die Journalistin ist  regelmäßig Gast auf Kirchentagen und nahm dort an Diskussionen zur Familienpolitik teil oder hielt Vorträge zu biblischen Themen wie der Schöpfungsgeschichte. Zuletzt sorgte Mika 2014 mit ihrem Buch „Mutprobe“ über das Älterwerden von Frauen und ihre Rolle in der Gesellschaft für Diskussionen.

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